Heute schon geteilt …?

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Jan Kristof Arndt 26 März 2019

3 … 2 … 1 … Meins. So lautete noch vor kurzem der Werbeclaim eines uns allen bekannten Auktionshauses im Internet. Die eigentliche Botschaft: Besitz ist Trumpf! Mein Haus, mein Auto, meine Yacht!

Wir alle sind Teil der Konsumgesellschaft. Wer würde dem widersprechen? Menschen wollen am liebsten alles haben. Oder anders ausgedrückt: Sie wollen haben, wonach ihnen gerade der Sinn steht. Das war schon früher so und das wird wohl auch noch ein Weilchen so bleiben. Dennoch lässt sich ein Trend erkennen, der das Potential zu haben scheint, den Winter zu überdauern und bereits heute von vielen Unternehmen als Ansatzpunkt für innovative Ideen genutzt wird: Die Sharing Economy.

Eines steht fest: Vorherrschende Konsumparadigmen verändern sich! Natürlich wollen wir auf nichts verzichten. Im Gegenteil! Aber müssen wir es tatsächlich auch besitzen? Zunehmend mehr Menschen beantworten diese Frage durch ihr tägliches Handeln mit Nein. Nein, sie müssen nicht unbedingt ein Auto haben, kann man sich doch heute im Bedarfsfall eines leihen. Und nein, auch eine Bohrmaschine muss nicht zwingend gekauft werden, wird sie doch tatsächlich höchstens 13 Minuten (!) „zeitlebens“ im Einsatz sein [Die Zeit: „Meins ist Deins“ vom 15. Dezember].

Eines der wahrscheinlich bekanntesten Beispiele der Sharing Economy (zumindest hier in Deutschland) und Ausdruck eines veränderten Konsumverständnisses ist das StadtRad (wie es bei uns in Hamburg heißt). Allein in den ersten 12 Monaten nach Gründung des Leihsystems im Jahr 2009 hatten 53.000 registrierte Nutzer 500.000 Fahrten mit den roten Fahrrädern unternommen. Drei Viertel der Fahrten dauerten weniger als 30 Minuten und waren somit für die Nutzer kostenfrei. Bei mehr als 100.000 Nutzern ist das StadtRad mittlerweile aus Hamburg nicht mehr wegzudenken und ein beeindruckendes Beispiel für „gemeinschaftlichen Konsum“.

Die Wurzeln des Wandels von einem besitz- hin zu einem eher nutzenorientierten Konsumverhalten finden sich … nun, wahrscheinlich finden sie sich irgendwann irgendwo in den späten 60er Jahren schließlich gab es schon früher Wohngemeinschaften und Gruppentickets für die Bahn … aber die Wurzeln der Sharing Economy – so wie wir sie heute erleben – sind in Social Communities und den Angeboten von Network-Anbietern wie Facebook, Twitter, Flickr oder Xing begründet. Wer teilt gewinnt. Egal, ob es um Nachrichten, Bilder oder Ideen geht. Jeder steht mit jedem im Austausch; so man das denn will und zulässt. Diese für viele geltende Wirklichkeit des virtuellen Lebens scheint im Begriff auch die reale Welt zu erobern.

Nutzen schlägt Besitz. In Zukunft sind bedarfsgerechte und flexible Zugangsmöglichkeiten wichtiger als ein Kassenbon, der die Besitzverhältnisse zwischen Anbieter und Konsument klärt. Das lässt sich nicht auf alles übertragen. Ich zumindest würde ungern meine Zahnbürste oder meine Lieblingstasse mit anderen Menschen teilen wollen. Wie heißt es doch so schön: „Füller und Frauen verleiht man nicht.“ Und das soll ruhig auch so bleiben. Aber warum sollte ich mir nicht mit meinem Nachbarn eine Säge teilen oder einen Rasenmäher? Wie wäre es mit Bildern? Oder Zeitschriften?

Die wichtigste Währungseinheit ist Vertrauen! Nur wenn man darauf vertrauen kann, dass Zusagen eingehalten werden, dass ich auch wirklich das Auto, die Heckenschere, die Zeitung nutzen kann – und zwar so wie vereinbart – kann diese neue Form der Konsumkultur auch funktionieren.

Eines muss klar sein: Die Sharing Economy beschreibt nicht etwa die Renaissance christlicher Nächstenliebe. Eher würde ich von einer Art konsumtivem Pragmatismus sprechen: „Da ich mir nicht alles kaufen kann und will, leih ich es eben. Das ist besser als darauf zu verzichten und Geld kann ich dabei auch noch sparen.“ Smart Shopping eben - nur anders. Geld allein ist natürlich nicht der alleinige Anreiz für viele „Sharer“: Auch die Schonung von Ressourcen, das Bedürfnis nach Gemeinschaft und die Möglichkeit des sozialen Austauschs mit anderen Menschen werden in Umfragen als Motive genannte. Getreu dem Motto: teilen verbindet. [Verwandter Artikel: Weniger ist mehr!]

Bis bald

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Text: Jan Kristof Arndt

Foto: Elaine Casap auf Unsplash

Jan Kristof Arndt
Autor: Jan Kristof Arndt

Innovationsberater und Autor „Von Regelbrüchen … oder der Kunst, merkwürdig zu sein“