20 der besten Chatbots in 2019 [Teil 1 / 3]

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Jan Kristof Arndt 08 Oktober 2019 – Lesedauer: 5:20 Minuten

Innovationen produzieren beides: Gewinner und Verlierer.

So richtig dieser Satz auch ist: Die Aussage ist mir zu absolut – fast, als wären mit einer Innovation die Herrschaftsverhältnisse am Markt auf alle Zeiten geklärt. Aber dem ist nicht so. Die Geschichte zeigt, dass nichts wirklich in Stein gemeißelt ist. Auch die Nutznießer technologischer Veränderungen müssen ihre Position ständig verteidigen – während sich allen anderen immer wieder neue Möglichkeiten bieten, ihre Situation zu verbessern. Nur wer gar nicht reagiert – wer meint die vorherrschenden Veränderungsprozesse am Markt auf Dauer ignorieren zu können, verliert am Ende wirklich.

Wie Sie es von uns kennen, stellen wir Ihnen regelmäßig neue Trends und entsprechende Beispielinnovationen vor. In diesem Artikel geht es um digitale Kommunikationsmöglichkeiten – und hier speziell um Chatbots. Diese werden 2020 zum entscheidenden Instrument in der Abwicklung von Marketingprojekten. Das Potenzial für Unternehmen – vor allem im Bereich „Customer Care“ – ist einfach zu groß, als dass man sich nicht mit diesem Thema auseinandersetzen sollte. Fangen wir also an.

Nachfolgend möchte ich Ihnen 20 Beispiele verteilt über 10 Kategorien vorstellen, die verdeutlichen sollen, wie Chatbots schon heute intelligent genutzt werden. Im Anschluss fasse ich die wichtigsten Implikationen noch einmal zusammen.

Kategorie 1: Chatbots im Bereich Edutainment

Chatbots lassen sich hervorragend nutzen, um Lerninhalte zu kommunizieren und z.B. die Teilnehmer eines Online-Kochkurses auf unterhaltsame Art zu motivieren, am Ball zu bleiben und täglich in den eigenen Fortschritt zu investieren.

Beispiel 1: Mondly

Hierbei handelt es sich um eine Lern-Applikation für Sprachen. Mondlys Chatbot setzt dabei sowohl auf Voice Recognition als auch auf Texterkennungssoftware. Im Gegensatz zu konkurrierenden Sprachplattformen bieten die Betreiber wechselnde Rollenspiele an, um die Lernenden zu befähigen, sich in einem fremden Land schnell zurechtfinden und mit den Menschen vor Ort kommunizieren zu können.

An einem Tag wird eine Hotelbuchung simuliert, an einem anderen der Besuch eines Restaurants. So weit, so gut. Was mich in der Recherche zu diesem Artikel aber wirklich begeistert hat, ist eine vor Kurzem am Markt vorgestellte Erweiterung des Sprachassistenten, die es Nutzern erlaubt, virtuell in unterschiedliche Lebenswelten einzutauchen und dort das bis dahin Gelernte kontextgerecht anzuwenden. Einzige Bedingung: Man braucht eine Oculus-Brille, um die 3D-Funktion des Bots nutzen können.

Take-away

  • Chatbots sollten interaktiv sein.
  • Behalten Sie im Auge, wie (intensiv) Kunden Ihre Anwendung nutzen – wer welchen Leistungsstand hat – und passen Sie Ihre Kommunikation entsprechend an.

Beispiel 2: Tech Crunch

TechCrunch gehört zu den weltweit führenden Online-Nachrichtenportalen rund um Trends und Innovationen. Auch wir nutzen das System (neben zahlreichen anderen Quellen) für Recherchezwecke. Dabei setzen die Redakteure u.a. auf einen Chatbot, um ihren Content zielgenau an den User zu bringen. Dieser kann festlegen, welche Inhalte er wann zugesendet bekommen möchte – eine tolle Option in Zeiten der medialen Dauerbeschallung. Auch hat er die Möglichkeit, ausgewählten Autoren zu folgen. Wirklich spannend ist, dass der TechBot das Click-Verhalten und die Lesedauer der Nutzer analysiert, um daraus eigenständig Content-Empfehlungen abzuleiten. Analysen zeigen, dass diese Art der Informationsbereitstellung gut ankommt. Der Markenwert von TechCrunch konnte deutlich gesteigert werden, ebenso der Traffic und die Verweildauer von Website-Besuchern – keine ganz unwichtigen Kennzahlen heutzutage.

Take-away

  • Individualisieren Sie Ihren Content.
  • Räumen Sie Ihren Usern Mitspracherechte und Gestaltungsräume ein.


Kategorie 2: KI-basierte Chatbots

Assistenzsysteme dieser Kategorie nutzen Deep Learning, um die Qualität und Relevanz ihres Outputs zu erhöhen. Anstelle choreografierter (also im Vorfeld definierter) Reaktionen auf bestimmte Aktionen versucht das System, Nutzeranfragen im Kontext zu verstehen und auf dieser Basis dann Hilfestellungen zu geben.

Beispiel 1: Mitsuku

Das wahrscheinlich bekannteste Beispiel für intelligente Chatbots ist Mitsuku – ein von Pandorabots entwickeltes System. Der Algorithmus ist so ausgefeilt, dass neue Daten in Rekordzeit verarbeitet, diese in Informationen umgewandelt und Antworten zielgenau auf Fragen der Nutzer abgestimmt werden können. Mitsuku hat bereits 5 Mal den Loebner Preis gewonnen – eine bedeutende Auszeichnung im IT-Bereich. Als Plattform fungiert A.L.I.C.E. – ein sehr leistungsstarkes Programm, das auf die Verwendung natürlicher Sprache im Kommunikationsprozess spezialisiert ist. Dadurch fühlen sich Konversationen mit Mitsuku (relativ) echt an – eine wesentliche Voraussetzung, will man Chatbots zukünftig noch stärker z.B. in seine Marketing- oder Recruitingmaßnahmen involvieren.

Take-away

  • Stellen Sie relevante Fragen – und geben Sie relevante Antworten.
  • Chatbots sollten natürlich wirken. Die Ausgestaltung dessen ergibt sich aus der Analyse des Verhaltens Ihrer Kunden.

Beispiel 2: National Geographic

Der Verdrängungswettbewerb im Informationsmarkt ist hoch. Wer wahrgenommen werden will, muss auffallen – nur wie?

National Geographic bietet seinen Nutzern die Möglichkeit mit Albert Einstein zu sprechen … oder vielmehr: mit einem Chatbot zu kommunizieren, dessen Antworten so klingen, als wären sie von Einstein verfasst worden. Auf lästige Promo-Anzeigen wird verzichtet. Stattdessen werden Foreneinträge – zum Beispiel Fragen und Kommentare – analysiert, um auf dieser Basis Informationen zusammenzustellen, die für den Nutzer wirklich relevant sind.

Das Ergebnis: eine Wiederbesuchsrate von 50% – 11 Austauschmomente pro Konversation – und eine durchschnittliche Chat-Dauer von 6-8 Minuten. Ich glaube, das spricht für sich.

Take-away

  • Schaffen Sie Exklusivität.
  • Orientieren Sie sich an beliebten Persönlichkeiten, wenn Sie den Charakter Ihres Chatbots definieren – überlegen Sie genau, mit wem Ihre User schon immer einmal sprechen wollten – Beispiele: Meister Yoda, Gandhi oder Captain America.


Kategorie 3: Chatbots im Bereich des Gesundheitswesens

Es war nur eine Frage der Zeit, bis man im Gesundheitswesen bestimmte Tätigkeiten und Beratungsdienste an Bots übertragen und so z.B. die Vergabe von Terminen, aber auch die Ersteinschätzung von Symptomen „outsourcen“ würde. Damit sollen Ärzte und deren Personal nicht ersetzt, aber entlastet werden.

Beispiel: Buoy Health Chatbot

Buoy ist ein auf synthetischer Intelligenz basierender Assistent, der Ärzte bei der Anamnese unterstützen und potenziell medizinisch relevante Informationen einholen soll. Das System greift sowohl auf Patientendaten als auch auf die Ergebnisse wissenschaftlicher Studien und klinischer Analysen zurück. Dabei werden keine einfachen „Wenn … dann“-Beziehungen hergestellt, sondern Symptome miteinander verglichen, Wahrscheinlichkeitsuntersuchungen angestellt und erst danach Einschätzungen vorgenommen. Diese stimmten in groß angelegten Versuchsreihen zu 90 % mit den Urteilen professioneller Ärzte überein.

Ungeachtet dieser Erfolge müssen Mediziner aber nicht um ihren Job fürchten. Buoy soll Patienten dabei unterstützen, Symptome besser einzuschätzen und im Bedarfsfall zum richtigen Arzt zu gehen. Das dürfte vor allem Mitarbeiter in der Notaufnahme freuen – egal ob in Hamburg, München, Berlin oder Frankfurt. Studien zeigen, dass sich viele Menschen bereits bei kleineren Erkältungsanzeichen direkt ins Krankenhaus begeben, was dort natürlich zu einer Überlastung des Personals führt – mit allen bekannten Folgeerscheinungen.

Take-away

  • Personalisieren Sie die Experience Journey Ihrer User – Schema F-Erfahrungen haben ausgedient.
  • Gerade im Gesundheitswesen sollte es ein Back-up-System geben: Menschen / ausgebildete Experten, die im Bedarfsfall übernehmen und z.B. Behandlungen einleiten oder dringliche Fragen beantworten können.
  • Selbst kleinere Entlastungen – durch z.B. einen Terminplaner mit angeschlossener Erinnerungsfunktion – können einen Beitrag leisten und helfen, sich von der Konkurrenz abzuheben.


Kategorie 4: Chatbots für Buchungen & Immobiliengeschäfte

Unsere Trend-Datenbank zeigt, dass Chatbots überall da einen Beitrag leisten und sowohl Kunden als auch Anbieter entlasten können, wo es viele Auswahloptionen gibt. Das gilt für alle Bereiche – egal, ob es um Reisen, Autos, Versicherungen oder Bücher geht.

Beispiel 1: Hipmunk

Kaum eine Industrie ist stärker umkämpft als die Reisebranche. Studien zeigen, dass Kunden im Durchschnitt 38 unterschiedliche Seiten besuchen, bevor Sie sich für ein Reiseziel, ein Hotel, ggf. einen Mietwagen und Veranstaltungen vor Ort entscheiden.

Hipmunks Chatbot führt die Nutzer durch diesen Prozess. Er hilft bei der Auswahl, assistiert bei der Buchung, unterbreitet Vorschläge für eine optimale Urlaubserfahrung und schickt einem sogar Gutschein-Codes zu, um vor Ort kostengünstig(er) an ausgewählten Events teilnehmen und bestimmte Museen besuchen zu können. Das erfolgt nicht etwa wahllos, sondern orientiert sich an den Interessen der User.

Take-away

  • Gehen Sie proaktiv auf User zu.
  • Schaffen Sie Orientierung.
  • Stimmen Sie Rabattaktionen auf die persönlichen Präferenzen Ihrer Nutzer ab.

Beispiel 2: Structurely

Der von Structurely eingesetzte Bot mit dem (leicht zu merkenden) Namen Holmes (angelehnt an die von Arthur Conan Doyle geschaffene Romanfigur des Meisterdetektivs Sherlock Holmes) bedient sich ausgeklügelter Algorithmen, um Fragen rund um den Kauf von Häusern, Grundstücken und Gebäuden zu beantworten. Das Ziel besteht darin, den Nutzer in die Lage zu versetzen, eine für ihn optimale Entscheidung zu treffen. Um das zu gewährleisten, schlägt Holmes Vergleichsangebote vor, weist auf lokale Besonderheiten hin, gibt Tipps für Besichtigungstermine, unterstützt bei der Bewertung der eigenen Immobilie usw.

Take-away

  • Stellen Sie Fragen – Sammeln Sie so viele Informationen wie möglich ein, um Ihr Angebot auf die Bedürfnisse Ihrer Kunden abzustimmen.
  • Verschaffen Sie Ihren Nutzern einen Informationsvorsprung gegenüber etwaigen Konkurrenten.

Beispiel 3: Aloft Hotels

Hier haben Hotelgäste die Möglichkeit, über einen „Chatbotler“ Hotel-typische Dienste in Anspruch zu nehmen und so z.B. Information zu Veranstaltungen in der Region einzuholen, sich mit der Rezeption zu verbinden oder Essen zu bestellen. Tatsächlich nehmen 2 von 3 Hotelgästen dieses Angebot in Anspruch.

Take-away

  • Helfen Sie den Kundenservice zu verbessern, indem sie den Verfügbarkeitsstatus (in diesem Fall von Zimmern) anzeigen und Online-Reservierungen zulassen.
  • Informationen sollten schnell und einfach zu finden sein.

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Bis bald
Jan Kristof Arndt
Autor: Jan Kristof Arndt

Innovationsberater und Autor „Von Regelbrüchen … oder der Kunst, merkwürdig zu sein“

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