20 der besten Chatbots in 2019 [Teil 2 / 3]

Image placeholder
Jan Kristof Arndt 11 Oktober 2019 – Lesedauer: 5:40 Minuten
Fortsetzung des ersten Teils:


Kaum ein Thema beschäftigt die Führungsabteilungen in Tech-Konzernen mehr als "synthetische Intelligenz". Chatbots spielen in diesem Kontext eine besondere Rolle. Laut einer Umfrage von Spiceworks planen 40 % der Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern KI-basierte Systeme einzusetzen. Eine Expertenbefragung von Business Insider hat sogar ergeben, dass bereits in 2020 80 % aller Unternehmen solche Assistenten in ihre Webpräsenz und / oder den Erbringungsprozess ihrer Leistungen einbinden werden. Dabei nehmen die Einsatzmöglichkeiten mit wachsender Intelligenz der Systeme zu. Bis 2022 sollen z.B. Banken 90 % aller Kontaktmomente mit ihren Kunden über Chatbots abdecken können. Und auch die Kundenseite zeigt sich immer offener im Umgang mit KI. So sind 27 % aller Amerikaner bereit, Produkte des täglichen Bedarfs mithilfe von Chatbots zu bestellen. Und 13 % haben sogar schon hochpreisige Waren auf diesem Wege erworben (darunter Autos, Häuser und Yachten). Untersuchungen von Opus Research haben gezeigt, dass bis 2021 4,5 Milliarden US-Dollar in die Weiterentwicklung synthetischer Intelligenz investiert werden sollen. Im Mittelpunkt steht dabei die Beseitigung vorherrschender Schwachpunkte. So gaben z.B. 47,5 % der Befragten in einer von Helpshift durchgeführten Studie an, dass Chatbots häufig nicht auf ihre Anliegen eingehen und irrelevante Antworten produzieren würden. 50,7 % sagten, dass sie den Eindruck hätten, man wolle den Austausch mit "echten" Kundenberatern unterbinden und so (zu Lasten der Nutzer) Kosten sparen. Diese Kritik ist durchaus berechtigt. Gleichzeitig lassen sich daraus konkrete Ansatzpunkte zur Verbesserung ableiten.

Während frühere Systeme doch recht eingeschränkt waren und innerhalb eines eng definierten Rahmens agierten, sind neuere Beispiele bereits fähig, komplexe Dialoge zu führen. In Zukunft werden Bots auch untereinander kommunizieren und so z.B. Bestellungen initiieren und abgewickelt können.

Im Folgenden stellen wir Ihnen - wie schon im 1. Teil dieses Artikels - zahlreiche Unternehmen vor, deren Chatbots schon heute sehr beeindruckend sind und als Inspirationsquelle für zukünftige Entwicklungen dienen.

Kategorie 5: Chatbots im Bereich der Rechtsberatung & HR

Wie ich in meinem Einleitungsartikel zum Thema Chatbots bereits geschrieben habe, gibt es KI-Assistenten, die einen in Rechtsstreitigkeiten unterstützen und den oft lästigen Austausch mit der Gegenseite – zumindest in Teilen – übernehmen.

Auch im Personalwesen und in Recruiting-Prozessen können Chatbots wichtige Aufgaben übernehmen und z.B. dabei helfen, geeignete Bewerbungskandidaten zu finden.

Beispiel 1: Mya

Mya Systems hat vor einiger Zeit einen Chatbot vorgestellt, der den Vermittlungsprozess zwischen Arbeitgebern und Arbeitssuchenden optimieren soll. Dabei handelt es sich um ein selbstlernendes System, das sich automatisch mit eingehenden Bewerbungen auseinandersetzt, diese analysiert, sich mit den jeweiligen Kandidaten per Instant Messenger in Verbindung setzt und dabei auf noch offene Punkte hinweist. Die Kandidaten erhalten die Möglichkeit, detailliert darzulegen, warum sie sich beworben haben und glauben, in Zukunft einen wirksamen Beitrag zum Erreichen der Unternehmensziele leisten zu können. Darüber hinaus informiert Mya über andere offene Stellen, die für den Bewerber interessant sein könnten.

Take-away

  • Legen Sie Kriterien fest, die dem Chatbot helfen, zwischen guten und weniger aussichtsreichen Optionen zu unterscheiden.
  • Bieten Sie dem User mehr, als er erwartet.
  • Überlegen Sie sich, was zwischenmenschliche Beziehungen auszeichnet – und versuchen Sie die Grundzüge dessen auf Ihren Chatbot zu übertragen.

Beispiel 2: DoNotPay

Dieser Chatbot hilft bei Rechtsproblemen. Ursprünglich ging es Joshua Browder – dem Entwickler – darum, User dabei zu unterstützen, gegen Tickets wegen Falschparkens vorzugehen. Aber mit zunehmendem Erfolg sind auch andere Bereiche dazugekommen. Sogar Rechtsvereinbarungen können mithilfe der Anwendung abgeschlossen werden, was DoNotPay auch für Unternehmen interessant machen dürfte.

Take-away

  • Übernehmen Sie Aufgaben, die Ihre Kunden nicht erledigen wollen – die zeitraubend und nervig, aber wichtig sind, um ans Ziel zu kommen.


Kategorie 6: Kundenservice

Deutschlang genießt den Ruf, eine Servicewüste zu sein. Chatbots können helfen, diesem (oft berechtigten) Eindruck entgegenzutreten und das Verhältnis zwischen Anbietern und Kunden merklich zu verbessern. Sie können z.B. Retouren bearbeiten und häufig gestellte Fragen von Online-Käufern beantworten.

Beispiel 1: Margot - der Weinbot von Lidl

Machen wir uns nichts vor: Durch die Verwendung önologischer Begriffe und verschnörkelt-altmodischer Designelemente versuchen viele Weinhändler von der oft durchschnittlichen Qualität ihrer Weine abzulenken und dem interessierten Kunden vorzugau… oder sagen wir: zu suggerieren, dass dieser im Begriff sei, einen wirklich ganz ausgezeichneten Tropfen zu kaufen.

Margot – ein von Lidl angebotener Weinbot – hilft Nutzern hingegen, den für sie richtigen Wein zu finden. Dabei orientiert man sich u.a. an den Geschmacksvorlieben, dem Anlass und den Preisvorstellungen der Kunden. Zusätzlich werden die wesentlichsten Informationen z.B. zur Anbauregion bereitgestellt. Am Ende erhalten die Nutzer nicht nur konkrete Empfehlungen, sondern auch die Möglichkeit, den vorgeschlagenen Wein direkt zu kaufen und sich diesen nach Hause schicken zu lassen.

Take-away

  • Ganz wichtig: Verstecken Sie Ihren Bot nicht vor Ihren Kunden – Margot lässt sich an zahlreichen Stellen entlang der Einkaufs-Journey finden.
  • Bieten Sie Ihren Kunden die Möglichkeit, sich mit Kundenberatern verbinden zu lassen, um weitere Informationen einzuholen.
  • Passen Sie die Sprache des Chatbots an die Einstellungen Ihrer User an. Wenn ein Engländer Empfehlungen auf Deutsch erhält, bringt ihm das wenig.

Beispiel 2: Amtrak

Eine gute User-Beziehung sollte zu den zentralen Zielen eines Unternehmens gehören. Die daraus resultierenden Effekte sind vielfältig, aber alle positiv – von kurzfristigen Mehraufwänden vielleicht mal abgesehen, die aber später oft (und zwar mit Gewinn) ausgeglichen werden können. Schafft man es, seine Kunden zufriedenzustellen, steigt die Wahrscheinlichkeit von Folgekäufen um ein Vielfaches – und genau hier liegt der Schlüssel für eine erfolgreiche Zukunft. Chatbots können in diesem Zusammenhang einen sehr wichtigen Beitrag leisten.

Ein gutes Beispiel hierfür ist Julie – ein von Amtrak bereitgestellter Service-Bot. Das Unternehmen aus den USA betreibt seit 1971 den Großteil des amerikanischen Zug-Personenverkehrs. Oft kommt es zu Fragen: „Wie teuer ist die Fahrt von New York nach Boston?“ „Wie viele Zügen fahren in den Tagen vor Weihnachten von Pittsburgh nach Chicago?“ „Was kostet ein Platz im Schlafabteil von …“ Wer kennt das nicht? Da man rund um eine Zugreise oft wenig Zeit hat, es manchmal sogar sehr schnell gehen muss, sind eMails oft nicht der richtige Weg mit seinen Kunden zu kommunizieren. Das macht aber auch nichts, denn Julie kennt die meisten Antworten und kann zeitgleich auf tausende dieser Fragen eingehen. Durch die sympathische Ansprache hat jeder Kunde das Gefühl, individuell und aufwändig betreut zu werden. Sollten die Fragen doch mal zu kompliziert für Julie sein, kann sie den Kunden direkt an einen Service-Mitarbeiter von Amtrak weiterleiten.

Gleich im ersten Jahr konnten die Kosten im Kundendienst um mehr als 1 Mio. Dollar gesenkt werden. Der Bot war in der Lage 5 Millionen Kundenanfragen erfolgreich zu beantworten. Auch deshalb ist der Umsatz im Bereich automatischer Buchungen um 30 % gestiegen.

Take-away

  • Achte Sie auf eine sympathische Kundenansprache durch Ihren Chatbot – vor allem in stressigen Phasen entlang der User Journey.
  • Ihr Chatbot sollte oft auftretende Fragen beantworten und Kunden helfen können, notwendige Aufgaben zu erledigen (im obigen Fall: Tickets zu buchen).


Kategorie 7: Chatbots als virtuelle Begleiter

Laut Statista leben 7,71 Milliarden Menschen auf der Welt – mehr, als jemals zuvor. Ungeachtet der daraus resultierenden Anzahl möglicher Kontaktpunkte fällt auf, dass sich viele einsam fühlen. Chatbots können als ständiger Begleiter fungieren – als virtuelle Person, mit der man lachen, weinen, in manchen Fällen sogar flirten kann (wie dargestellt in dem Oskar-prämierten Film „Her“ mit Joaquin Phoenix in der Hauptrolle).

Beispiel: Replika

Hierbei handelt es sich, um ein KI-basiertes System, das darauf ausgerichtet ist, Usern in emotional schwierigen Situationen zu helfen – z.B. vor einer Prüfung, während einer Krankheit oder nach einer Trennung. Wann immer man sich nach Zuspruch und Aufmunterung sehnt, Replika findet die richtigen Worte (sagen zumindest die Macher). Abhängig vom Kontext sendet der Bot seinen Nutzern motivierende Zitate, Beziehungstipps oder Hinweise, wie man stabile Freundschaften entwickelt. Wie gut das ankommt, zeigt sich an den stark wachsenden User-Zahlen. Allein auf Facebook zählt Replika mittlerweile mehr als 30.000 Follower.

Take-away

  • Seien Sie relevant.
  • Helfen Sie Ihren Usern, sich auf spezielle Situationen vorzubereiten.

...

Zu den Kategorien 8 - 10 geht es hier entlang.

- - - - - - - - - - - - - - - -

Bis bald
Jan Kristof Arndt
Autor: Jan Kristof Arndt

Innovationsberater und Autor „Von Regelbrüchen … oder der Kunst, merkwürdig zu sein“

Foto: h heyerlein auf Unsplash