Wer glaubt, dass jede neue Idee jubelnd begrüßt und ihrem Erfinder anerkennend auf die Schulter geklopft wird, der irrt. Und zwar gewaltig. In der Regel muss man sich mächtig ins Zeug legen, will man andere Menschen von einer Idee überzeugen. Man muss sie verteidigen – gegen Kritik, Neid und Schwarzmalerei. Man muss sie immer wieder neu erklären und die von ihr ausgehenden Mehrwerte betonen. Man muss – oder vielmehr: Man müsste, denn die Verteidigung einer Idee führt nicht selten zu Konflikten mit Kollegen, Vorgesetzten oder Freunden; mit allen, die die Idee für undurchführbar, abwegig oder überflüssig und ihren Urheber für einen Querulanten halten.
Für die meisten Menschen beinhaltet der Begriff „Konflikt“ Streit, Geschrei, Ärger – Und nicht selten geht das auch mit einer Auseinandersetzung einher. Aber genau hier liegt der Hase im Pfeffer:
Ganz allgemein ist ein Konflikt dadurch gekennzeichnet, dass sich ein Mensch bei der Verwirklichung seines Denkens, Fühlens, Wahrnehmens und Wollens durch einen anderen gestört fühlt. Mögliche Ursachen (gerade im beruflichen Leben) sind z.B. unterschiedliche Zielvorstellungen, ein abweichendes Strategieverständnis, Rollen- oder Beziehungskonflikte. Jeder Mensch hat seine ganz individuelle Wahrnehmung und konstruiert seine eigene subjektive Wirklichkeit. Ein Konflikt entsteht also, wenn ein Mensch einem anderen gegenüber zum Ausdruck bringt, dass seine Wirklichkeit richtig oder richtiger als die des anderen ist, und dieser das nicht akzeptiert. So etwas passiert. Jeden Tag. Überall.
Konflikte sind menschlich, das müssen wir hinnehmen. Sie weisen auf Probleme hin, die es zu lösen gilt, sind also gewissermaßen der Nährboden für Innovationen (in diesem Fall vielleicht eher sozialer Natur). Und deshalb kann es auch nicht darum gehen, Konflikte zu vermeiden, sondern sie zu nutzen – also „richtig“ zu streiten! Eines muss dafür gewährleistet sein: Die Konfliktpartner (nicht -gegner) müssen bereit sein, ihre Auseinandersetzung konstruktiv zu bearbeiten. Das setzt voraus, dass sie nicht des Prinzips wegen an längst widerlegten Standpunkten festhalten, sondern sich für die Inhalte und die dahinter steckenden Interessen der anderen Partei interessieren. Auch müssen sie bereit sein, den eigenen Standpunkt aus unterschiedlichen Perspektiven zu beleuchten und Kritik zu respektieren. Das ist keine Anleitung zum Gutmenschentum, sondern ein Hinweis, wie sich eine bessere, faire Konfliktkultur etablieren ließe. Wie Gerhard Bronner einmal sagte: „Fairness ist die Kunst, sich in den Haaren zu liegen, ohne die Frisur zu zerstören.“ Das Ziel darf nicht darin bestehen, um alles auf der Welt Recht zu behalten, das wäre zu banal, sondern dazuzulernen – und gemeinsam besser zu werden. Erstickt z.B. der Inhaber eines Unternehmens (kritische) Ideen seiner Mitarbeiter im Kern, so kann die Firma auch nie über die kreativen Grenzen und Vorstellungen des Unternehmers hinaus wachsen. Hier gilt tatsächlich das Prinzip, nach der das Ganze einer Sache größer und wertvoller ist als die Summe der Einzelteile. Eine Art innovationstheoretischer Holismus.
Eine Kultur, die es dem Einzelnen ermöglicht, auch kontroverse Standpunkte und ausgefallene Ideen vorzutragen, ohne gleich als Unruhestifter stigmatisiert zu werden, die Konflikte aushält, diese austrägt und nicht ausblendet, schafft die besten Voraussetzungen für Erneuerungen. Und das auf allen Ebenen. [Verwandter Artikel: Die Klimakatastrophe 2.0]
Wer sich hiermit vertiefend auseinandersetzen möchte, dem empfehle ich das Buch „Konfliktmanagement im Unternehmen“ von Stephan Proksch (Springer-Verlag).
Auf bald
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