Im Zeichen des Aufbruchs … Am-Asian Innovations!

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Jan Kristof Arndt 25 März 2019

Wie stark der Wunsch nach freier Entfaltung ist, konnte während der letztjährigen Demonstrationen in Hong Kong beobachtet werden, als vor allem junge Menschen mit zum Teil sehr heterogenen Hintergründen gegen den staatlichen Einfluss der chinesischen Regierung demonstrierten – nicht, weil sie sonst nichts mit ihrer Zeit anzufangen gewusst hätten, sondern weil sie sich und nachfolgende Generationen durch die zunehmende Bevormundung Pekings um die Möglichkeit einer selbstbestimmten Lebensgestaltung gebracht sahen. Es gab schon schlechtere Gründe, um auf die Straße zu gehen.

Natürlich werden solche Straßenproteste das System Chinas nicht ins Wanken bringen – zumindest nicht kurzfristig, da bin ich mir sicher. Aber sie verdeutlichen, dass es Strömungen im Land der aufgehenden Sonne gibt, die die regierenden Politiker vor bislang kaum gekannte Herausforderungen stellen. Ausgang? Offen!

Eine solche Entwicklung ist auch (neben anderen Faktoren) das Ergebnis einer stärker werdenden Mittelschicht. Diese will sich nicht länger vorschreiben lassen, was sie zu machen und zu lassen habe. Das gesamtnationale Kollektiv ist zwar immer noch von großer Bedeutung, aber eben auch nicht wichtiger als man selbst. Durch die zunehmende Kaufkraft verändern sich das Statusempfinden und damit einhergehend die Nachfrage. Der Wunsch nach Individualität ist ausgeprägter denn je. Und nur wer sich als Anbieter bestimmter Leistungen auf diese neue Situation einzustellen vermag, wird zumindest einen Teil vom Kuchen abbekommen können.

Früher galt China als Werkbank der Welt. Man war marktführend in der kostengünstigen Umsetzung von Ideen – nur waren das eben oft die Einfälle anderer. Die eigene Innovationskraft hingegen war gering. Und auch heute noch mag man (sehr allgemein betrachtet) mit den führenden Kreativstandorten nicht mithalten können. Und dennoch gibt es mittlerweile zahlreiche Unternehmen, die aufhorchen lassen und deren Potential immens ist (nicht umsonst war man Partnerland der diesjährigen CeBIT). An der Spitze findet sich der Onlinehändler Alibaba. Aber auch kleinere Firmen sind sich der Bedeutung v.a. von Prozess- und Produktinnovationen bewusst und setzen ihre Mittel ein, um als zukunftsorientierte Unternehmen wahrgenommen zu werden. So gibt es ein in Kunshan (also ganz im Osten) ansässiges Restaurant, das auf den gezielten Einsatz von Robotern im Wertschöpfungsprozess setzt – nicht nur bei der Entsorgung von Essensresten (wie man vielleicht meinen möchte), sondern sogar in der Zubereitung einfacher Mahlzeiten. Hierzu zählen v.a. Reis- und Gemüsegerichte, die einen Großteil des Angebots definieren, woraus sich lukrative Einsparungspotentiale ableiten. [Weitere Beispiele finden Sie hier].

Allerdings wäre es unzureichend, Asien auf das „Land der Mitte“ zu beschränken. Vor allem wenn es um Innovationen geht. Gerade in Südkorea gibt es eine beeindruckende Gründer- und Zukunftsszene, von der man eine Menge lernen kann und die uns immer wieder mit neuen Ideen zu überraschen weiß. Etliche davon sind bekannt: So hat man schon seit Langem die Möglichkeit, Lebensmittel online zu bestellen, in Elektrotaxen von A nach B zu fahren und U-Bahn-Tickets mit leeren Einwegflaschen zu bezahlen. Aber auch im Gesundheitssektor lassen sich spannende Neuerungen beobachten. Als eines von vielen Beispielen hat das Bundang Hospital in Seoul eine App auf den Markt gebracht, die Patienten an Terminvereinbarungen erinnern und diesen helfen soll, Wartezeiten und möglicherweise privat zu zahlende Kosten besser einzuschätzen. Eine gute Idee – und Ausdruck der zunehmenden Digitalisierung im Medizinbereich.

Asien ist im Aufbruch. Dabei entstehen Innovationen immer in Abhängigkeit vom jeweiligen Kontext! So verwendet eine der auflagenstärksten Zeitungen in Sri Lanka eine spezielle Tinte, die abschreckend auf Mücken wirken soll. Was in Deutschland nur wenig Sinn machen würde, erweist sich hier als praktische Idee, lesen doch die meisten Menschen am Morgen und damit genau dann ihre Zeitung, wenn (die oft Krankheiten übertragenden) Moskitos besonders aktiv sind.

Eine besondere Beziehung habe ich zu Indien, da einige Freunde von mir dort leben, mit denen ich zusammen in Melbourne studiert habe. Einer hat mich vor drei Jahren auf das Buch „Frugal Innovation“ von Navi Radjou und den dort beschriebenen Innovationsansatz aufmerksam gemacht, nach dem man mit minimalem Mitteleinsatz maximale Verbesserungen zu erzielen versucht; vor allem auf Prozessebene. Hieraus lassen sich spannende Erkenntnisse ableiten, von denen wir einige in unsere Beratungsleistungen integriert haben.

Dass Indien schon lange nicht mehr auf seine Servicecenter und IT-Anbieter reduziert werden kann, zeigt auch das neu geschaffene Messeformat „Make in India“, in dessen Rahmen zahlreiche spannende Projekte aus dem Land der tausend Farben vorgestellt werden. Die Messe findet in Hannover vom 13. – 17. April 2015 statt. Wir werden ebenfalls vor Ort sein und unser indisches Partnerunternehmen HB Industries unterstützen.

Auch in gesellschaftlicher Hinsicht scheint das Land Fortschritte zu machen. So spielt die Kastenzugehörigkeit heute –zumindest im urbanen Raum– keine ganz so dominierende Rolle mehr, wodurch sich die sozialen Aufstiegschancen vieler Menschen verbessert haben. Allerdings wird auch immer wieder deutlich, dass Indien ein Gefangener seines eigenen Systems ist, in dem Frauen benachteiligt und oft genug ausgebeutet werden – ein Problem, das dringend neuer Lösungsansätze bedarf.

Für Aufsehen sorgte zuletzt das Schmuck herstellende Unternehmen „Tanishq“, welches sich für die Akzeptanz liebesbasierter anstelle der immer noch weit verbreiteten arrangierten Hochzeiten stark gemacht hat. Das mag auf uns selbstverständlich wirken – kommt in Indien aber (fast) dem Aufruf zu einer Revolution gleich.

Selbst in Ländern, die weniger für ihre innovativen Ideen bekannt sind, lässt sich eine offene Haltung gegenüber dem technologischen Fortschritt beobachten. So ist Vietnam doch tatsächlich Apples größter Wachstumsmarkt (zumindest in Relation). Und Indonesien weist die weltweit höchste Nutzungsrate des Kurznachrichtendienstes Twitter auf.

Wollte ich auf jedes asiatische Land näher eingehen, müsste ich ein Buch über dieses Thema schreiben. Die Grenze eines Blogartikels scheint mir allerdings erreicht. Fakt ist: Der Innovationsraum Asien steht vor massiven Veränderungen. Politische Neuerungen werden gesellschaftliche nach sich ziehen – und umgekehrt. Dabei hängen die Wachstumsaussichten auch davon ab, wie man in Zukunft mit seinen Kritikern umgeht (egal ob mit Künstlern, Wissenschaftlern oder –wie eingangs erwähnt– protestierenden Studenten). Ein System muss es aushalten können, wenn seine Teilnehmer ihm den Mittelfinger zeigen. Wer mit Gewalt dagegen vorgeht, leitet oft den Anfang seines Endes ein; Beispiele hierfür gibt es genug.

In meiner Recherche habe ich immer wieder gelesen, dass dieses 21. das Jahrhundert Asiens werden könnte. Und warum eigentlich nicht? Nur ist das eben kein Naturgesetz. Ich glaube schon, dass man auf einem guten Weg ist – nur muss auf diesem noch ein Großteil der Strecke zurückgelegt werden. Einige Staaten sind dabei schon mal vorgelaufen, um mögliche Richtungen aufzuzeigen – andere hängen ein wenig zurück und müssen erst noch die Voraussetzungen schaffen, um ihr Potential auch wirklich entfalten zu können. Was am Ende dabei rauskommt? Wir werden sehen. Dabei kommt es auch auf den Umgang mit den eigenen Traditionen an. Die Herausforderung wird darin bestehen, Vergangenheit und Zukunft einander näher zu bringen – und das kann nur gelingen, wenn man seine Geschichte bewahrt, ohne sich durch sie blockieren zu lassen.

Bis bald

Jan Kristof Arndt

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Jan Kristof Arndt
Autor: Jan Kristof Arndt

Innovationsberater und Autor „Von Regelbrüchen … oder der Kunst, merkwürdig zu sein“