Radikale Innovationen als Chance im Wettbewerb

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Jan Kristof Arndt 26 März 2019

Es gibt Unternehmen, die eigentlich alles richtig machen – Und dann scheitern. Unternehmen, an deren Spitze hervorragend ausgebildete Manager stehen, die weder Kosten noch Mühen scheuen, die Bedürfnisse ihrer Kunden zu analysieren, die Ergebnisse als Ausgangspunkt für Verbesserungen zu nutzen, ständig mit neuen Produktvarianten aufzuwarten, um dann doch am Markt einen Korb zu bekommen. Neeexxt!

Wir sprechen heute über Unternehmen, deren dominante Stellung am Markt trotz aller Anstrengungen dahinbröckelt. Jeden Tag ein bisschen mehr. Und deren letzte Amtshandlung häufig die ist, im Internet einen Insolvenzantrag herunterzuladen. Möglichst kostenfrei.

Dass es sich hierbei nicht um Einzelschicksale in der Wirtschaftsgeschichte handelt, wird klar, wenn man hört, dass von den 100 erfolgreichsten Unternehmen im Jahr 1917 nur noch eines existiert: nämlich General Electrics. GE hat es verstanden, sich immer wieder neu an eine sich verändernde Umwelt anzupassen und Schwerpunkte des produktiven Schaffens bedarfsorientiert zu verschieben. Deshalb hat man überlebt! (Das klingt ein bisschen pathetisch, ich weiß, aber irgendwie erscheint mir das bei den heute herrschenden haifischbecken-ähnlichen Wettbewerbszuständen in der globalen Wirtschaft erlaubt.)

Man muss aber gar nicht so weit in die Vergangenheit zurückschauen, will man Geschichten über geplatzte Träume präsentieren. Auch heute gibt es genügend Beispiele für Unternehmen, die noch vor kurzem als Stars ihrer Branche gefeiert wurden, denen die Zukunft zu gehören schien, und die heute keine nennenswerte Rolle mehr spielen. Beispiel gefällig? Wie wäre es mit Palm – einem Anbieter von PDAs (Personal Digital Assistent). Palm galt lange als eines der innovativsten Unternehmen der Welt, entsprach der Handheld-Computer doch genau dem Trend zunehmender Mobilität und Konnektivität. Und heute? Heute stellt fast jeder Handy-Hersteller Endgeräte her, die dem Kunden mehr bieten als das, was Palm ihm jemals geboten hat. Im April 2010 wurde das Unternehmen dann von Hewlett-Packard übernommen.

Das ist nur eins von zahlreichen Beispielen für Unternehmen, die mit Veränderungserscheinungen in ihrem Markt nicht umzugehen wussten. Andere Beispiele? Qimonda, Quelle, Märklin … Die Liste ist lang und sie wird länger. Unvermeidlich! Oder nicht? Was müssen wir lernen, um unsere Unternehmen vor solch einer Entwicklung zu schützen und in eine erfolgreiche Zukunft zu führen?

Nun, auffällig ist, dass sich der Abwärtstrend in der Entwicklung dieser Unternehmen oft auf Entscheidungen zurückführen lässt, die getroffen wurden, als man noch als Fallbeispiel für Zukunftsmanagement genannt und die eigenen Modelle und Techniken in den Vorlesungen etablierter Business Schools gelehrt wurden. Warum konnten diese Unternehmen ihre Erfolgsgeschichten nicht fortschreiben? Die Gründe hierfür sind vielfältig. Bei genauer Betrachtung fällt aber auf, dass Angst keine ganz unwesentliche Rolle spielte – die Angst vor Veränderungen – vor wirklichen Veränderungen.

Natürlich bekommt man im Studium eingebläut, dass es eine zwingende Voraussetzung für wirtschaftlichen Erfolg ist, den sich verändernden Bedürfnissen seiner Kunden und dem Aufkommen neuer Wettbewerber Rechnung zu tragen – sich also zu verändern. Anstatt aber seine Kunden zu überraschen, ihnen das Gefühl zu geben etwas Besonderes erworben zu haben, womit sie herausstechen, langweilt man sie ausschließlich mit inkrementellen Weiterentwicklung der seit Jahren gehandelten Leistungen. Verstehen Sie mich nicht falsch: Schrittweise Anpassungen hier und da sind notwendig (Apple erfindet ja auch nicht mit jeder iPhone-Variante den Handymarkt neu). Sich aber ausschließlich darauf zu konzentrieren, ist fahrlässig, da sich durch Globalisierung und EU-Binnenmarkterweiterung (neben zahlreichen anderen Gründen) die Konkurrenzsituation in den meisten Märkten deutlich verschärft hat. Um sich wahrnehmbar von seinen Wettbewerbern abheben zu können, muss man sich von ihnen unterscheiden. Inkrementelle Innovationen reichen da in der Regel nicht aus.

Ein wesentliches Problem: Manager sehen sich selbst gerne als „Zahlenmenschen“ und die haben nun mal Angst, wenn sich die Entwicklung einer Investition nur schwer voraussagen lässt. Wenn man es dann doch versucht und dezent darauf hinweist, dass bei falscher Umsetzung über 70 Prozent aller Innovationsprojekte scheitern, bricht bei dem einen oder anderen der nackte Angstschweiß aus. Die meisten Manager sind einem ausgeprägten Sicherheitsdenken verhaften. Die Maxime ihrer täglichen Entscheidungen lautet: „Safety First!“ Erschwerend hinzukommt, dass sich die Höhe vereinbarter Bonuszahlungen nicht selten in Abhängigkeit vom kurzfristig erzielten Gewinn ergibt, und damit radikale Innovationen sogar eher als Risiko für das eigene Portemonnaie angesehen werden. In einer solchen Kultur haben wirkliche Veränderungen keinen Platz; auch nicht, wenn sie die noch einzig wirksame Medizin gegen den fortschreitenden Verfall darstellen.

Das ist schade! Denn leider haben radikale Innovationen immer noch einen schlechten Ruf. Vielleicht liegt das daran, dass man über Radikalität üblicherweise in einem anderen Kontext spricht, man Menschen vor Augen hat, die entweder Hetzjagd auf unsere ausländischen Mitbürger machen oder Polizisten mit Steinen bewerfen. Aber das ist hier nicht gemeint. Natürlich nicht! Ich spreche von Innovationen, die weder das bisher verfolgte Konzept bestätigen noch auf die bis dato verwendeten Mittel zur Zielerreichung setzen. Ein Beispiel: Wenn die Gründer des „Cirque du Soleil“ in ihrer Programmausrichtung auf klassische Elemente der Zirkuswelt, wie z.B. eine große Manege, Tiernummern etc. gesetzt hätten, hätte Guy Laliberté (CEO des Sonnenzirkus) wohl kaum das Geld gehabt vor wenigen Monaten in den Weltraum zu fliegen, um auf den Welthunger aufmerksam zu machen. Dass er die 24 Millionen Euro Fluggebühr natürlich hätte einsetzen können, um diesen direkt zu bekämpfen, ist ein anderes Thema. Das Konzept des Zirkus basiert auf einer bis dahin nicht gekannten Mischung aus Artistik, Musical und eine von Programm zu Programm wechselnde Storyline. Und das funktioniert.

Geben wir also radikalen Innovationen eine Chance und erkennen die mit ihnen verbunden Möglichkeiten. Studien zufolge erlauben gerade diese Neuerungen Unternehmen ihre Umsätze deutlich zu steigern, Kosten einzusparen sowie die Leistungsfähigkeit von Produkten und damit die Wahrnehmung der Kunden um ein Vielfaches zu steigern. Auch ist die Flop-Rate radikaler Innovationsanstrengungen geringer als die von Versuchsmaßnahmen, Produkte inkrementell aufzuladen. Umso mehr muss es uns erstaunen, dass nur 7 % des F&E-Aufwands in deren Generierung investiert und stattdessen der Großteil des zur Verfügung stehenden Budgets n die Pflege von Altprodukten gesteckt wird. Allerdings handelt es sich hier nicht um eine „Entweder-Oder-Entscheidung“. Ob man sich nun radikal oder inkrementell verändert, ist keine Frage der persönlichen Vorliebe, sondern des Zeitpunktes. Beides ist wichtig – jeweils zu seiner Zeit. Wann das ist, ergibt sich aus der Stimmung am Markt. Lernen Sie diese einzuschätzen, Ungewissheiten zu managen, machen Sie sich mit entsprechenden Techniken vertraut und nutzen Sie das Potential sinnvoller Innovationen als Sprungbrett in eine erfolgreiche Zukunft.

Bei Interesse, würde ich Sie gerne hierzu beraten.

Bis bald

Jan Kristof Arndt

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Jan Kristof Arndt
Autor: Jan Kristof Arndt

Innovationsberater und Autor „Von Regelbrüchen … oder der Kunst, merkwürdig zu sein“