Was ist eigentlich ... ein Chatbot?

Image placeholder
Jan Kristof Arndt 30 September 2019 – Lesedauer: 6:45 Minuten

Haben Sie schon mal mit einem Chatbot kommuniziert? Wahrscheinlich schon.

Solche Systeme nutzen künstliche Intelligenz und informationsverarbeitende Software, um z.B. auf Anfragen und Kommentare von Kunden reagieren und mit diesen eine Konversation führen zu können. Die wahrscheinlich bekanntesten Beispiele für intelligente Kommunikationsassistenten sind Siri und Alexa. Das Konzept ist einfach: Nutzer stellen eine Frage – und das System antwortet. So viel zur Theorie. In der Praxis lässt sich beobachten, dass Fragen und Antwort nicht immer zueinanderpassen. Das kommt nicht etwa alle Jubeljahre vor, sondern recht häufig. Zuletzt wollte ich wissen, wann genau die nächste Präsidentschaftswahl in Bolivien sei. Worauf hin mir Alexa verriet, dass sie nicht wisse, welche Oliven unser Präsident mag (und überhaupt: warum ich mich denn dafür interessieren würde … ob ich nichts Besseres mit meiner Zeit anzufangen hätte … Nein, kleiner Schwerz – eigentlich kommen Alexa und ich ganz gut miteinander aus.)

Warum aber wusste sie das nicht?

Nun, es gibt zahlreiche Komponenten, die Einfluss auf die Qualität von Chatbots nehmen. Darunter: der dem System zugrunde liegende Algorithmus, die Menge verfügbarer Daten sowie die Erkennung und Verarbeitung der Suchanfrage. Eine der höchsten Hürden sind in diesem Zusammenhang (ob man es glaubt oder nicht) Dialekte. Wenn ein Bayer z.B. wissen möchte, wo es in München die besten Kasspatzn gibt, kommen nicht nur Norddeutsche ins Grübeln. Auch Chatbots dürften ins Schlingern geraten, wenn in den ihnen zugänglichen Datenbanken nicht explizit definiert wurde, dass es sich hierbei um Käsespätzle – also um etwas Essbares handelt und nicht um eine bislang unbekannte Spatzenart (wobei die streng genommen auch essbar wäre … wenn es sie gäbe … aber ich will nicht abschweifen).


Eine Entwicklung auf dem Vormarsch

Tatsächlich werden Chatbots immer besser. Das lässt sich mit den Übersetzungsdiensten von Google, Microsoft oder Deepl vergleichen. Während man vor Jahren über deren Vorschläge oft nur lachen (und noch öfter weinen konnte), leisten diese heute einen wirksamen Beitrag, wenn man Inhalte z.B. aus dem Deutschen ins Englische übersetzen will. Gleichzeitig hat die Verarbeitungsdauer solcher Aufträge deutlich abgenommen. Selbst lange und komplexe Texte (wie z.B. eine Vertraulichkeitsvereinbarung) werden in kürzester Zeit in der gewünschten Zielsprache angezeigt.

Eine ähnliche Entwicklung lässt sich in der Nutzung von Chatbots beobachten. Am Anfang war das alles noch … na, sagen wir: gut gemeint – statt gut gemacht. Heute hingegen gibt es bereits zahlreiche beeindruckende Beispiele für den gezielten Einsatz solcher Systeme (ungeachtet der Entwicklungsschritte, die ohne Zweifel noch zu gehen sind). So hat die „Bank of America“ vor Kurzem „Erica“ – eine virtuelle Assistentin – am Markt vorgestellt, die Kunden u.a. dabei unterstützen soll, Überweisungen zu tätigen und Kredite aufzunehmen. Auch bin ich zuletzt über eine Anwendung gestolpert, die mir grundsätzlich helfen könnte, gegen Verfahren wegen Falschparkens vorzugehen (aber das mache ich nicht mehr … war einer meiner Neujahrsvorsätze 😉).

Anders als man vielleicht meint, ist die Nutzung solcher Systeme nicht allein großen Unternehmen vorbehalten. Es gibt mittlerweile Baukastensysteme, die es jedem erlauben, seinen eigenen Bot zu programmieren. Ein Beispiel hierfür finden Sie auf der Website unseres Partnerunternehmens Evulu. Anstelle der sonst üblichen Eingabemasken, setzen die Betreiber auf ein intelligentes (und wie ich finde auch ganz witziges) Kommunikationssystem, um User dabei zu unterstützen, sich für den Newsletter anzumelden. An diesem Beispiel lässt sich auch verdeutlichen, dass Chatbots nicht alle gleich sind und man diese so anpassen kann, dass sie die Außenwahrnehmung von Unternehmen unterstützen. Wenn man z.B. als innovativer Plattform-Betreiber wahrgenommen werden will, sollte sich das in der „Wortwahl“ des Chatbots widerspiegeln (wie bei Evulu). Liegt der Schwerpunkt hingegen auf der Tradition des Unternehmens – möchte man sich bspw. als verlässlicher Ansprechpartner mit langjähriger Erfahrung im Versicherungswesen positionieren – so sollte auch das in den Sprachdateien des kommunizierenden Systems festgelegt werden. Hier können UX Writer einen wichtigen Beitrag leisten.


Erfolgstreiber in der Umsetzung

Zwei Technologie leisten in diesem Zusammenhang wichtige Dienste und helfen, Chatbots als Mittel in der Kommunikation mit Kunden zu etablieren.

So zeigt sich einerseits, dass zunehmend mehr Menschen Messenger-Dienste nutzen, um im Austausch mit Unternehmen Anfragen zu platzieren, Angebote einzuholen oder Beschwerden loszuwerden. Hier können Chatbots einen wichtigen Beitrag leisten, erlauben Sie Unternehmen doch, in Echtzeit auf solche Eingaben zu reagieren. Allein das wirkt sich – ungeachtet vom Inhalt der Anfrage und dem Bearbeitungsergebnis – positiv auf das Zufriedenheitsurteil von Kunden aus.

Einen weiteren Beitrag leistet Voice Recognition. Schon heute erfolgen 50 % aller Suchbefehle per Spracheingabe – Tendenz steigend. Oder wie es auf der diesjährigen Bits & Prezels hieß: The Future is Voice. Und auch wenn ich weiter oben bereits auf die (zumindest noch) bestehenden Probleme mit solchen Assistenzsystemen eingegangen bin, ist diese Technologie ohne Zweifel auf dem Vormarsch. Dabei werden zunächst die bei der Eingabe erzeugten analogen Schallwellen in digitale Informationen übersetzt und anschließend in kleine Segmente unterteilt. Danach erfolgt ein Abgleich mit bestehenden Klangdateien, um eine möglichst hohe Treffgenauigkeit zu gewährleisten. Zusätzlich werden Wahrscheinlichkeitsanalysen durchgeführt, um sicherzustellen, dass das jeweils untersuchte Wort auch dem Gesamtkontext des Sprachbefehls entspricht. Die Sinnerkennung ist sehr aufwendig und läuft deshalb über externe Server, mit dem der Computer / das Smartphone verbunden ist. Hierbei gilt es z.B. unnötige Hilfswörter auszublenden. Zur Verdeutlichung habe ich im folgenden Beispiel die für die Eingabeauswertung relevanten Wörter unterstrichen – alle anderen könnten eigentlich auch weggelassen werden: „Hey Alexa … Wie wird denn am nächsten Montag das Wetter in Hamburg?“ (Die Antwort hierauf lautet immer: „Es gibt Regen!“ Dafür braucht man keinen intelligenten Assistenten. Das weiß man als Norddeutscher). Zusätzlich muss das System die Betonung bei der Spracheingabe berücksichtigen. Will man z.B. eine Baustelle umfahren, sollte das System verstehen, was gemeint ist. Sonst kann das üble Folgen haben. Und auch Wortformen erschweren eine systematische Auswertung von Sprachbefehlen. Allein im Deutschen differenzieren wir zwischen 10 solcher Formen – und das nur in Bezug auf Verben. Es macht einfach einen Unterschied, ob jemand gerade zur Tankstelle läuft oder schon dorthin gelaufen ist. So etwas muss ein intelligenter Chatbot erkennen. Erst danach kann die gewünschte Funktion ausgeführt – also z.B. eine Frage beantwortet oder eine Route berechnet werden. Je größer die Datenbank an Wörtern, Betonungen, Klanglauten etc., desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Kontext erkannt und ein Sprachbefehl erfolgreich ausgeführt werden kann.

Deep und Machine Learning spielen in diesem Zusammenhang eine besondere Rolle. Sie erlauben Systemen, Erlerntes immer wieder mit neuen Inhalten zu verknüpfen und zu erweitern – also immer intelligenter zu werden. So hat Microsoft im Jahr 2018 bekanntgegeben, dass die Fehlerquote in der Ausführung verbaler Befehle bei nur noch 5,9 % läge – und lassen Sie uns nicht so tun, als wenn diese Quote im Bereich der zwischenmenschlichen Kommunikation niedriger wäre. Jeder, der schon mal stille Post gespielt hat, weiß was ich meine.

Dave Limp - Amazons Geräte- und Dienstechef - sagte der dpa am Rande der Gründermesse "Bits & Pretzels", dass man sich in fünf bis zehn Jahren problemlos mit Sprachassistenten unterhalten könne. Entscheidend sei aber, dass man jetzt in die Weiterentwicklung investiere.

Schon heute sind viele Chatbots von so hoher Qualität, dass man sie nicht allein zu Marketingzwecken einsetzt. Auch in der internen Kommunikation zwischen Abteilungen, im Personaleinstellungsprozess und im Projektmanagement kommen intelligente Kommunikations-Assistenten zum Einsatz. Wie stehen Sie zu diesem Thema? Wo sehen Sie noch Anwendungsfelder – und wo Grenzen? Lassen Sie uns gerne hierzu diskutieren.

- - - - - - - - - - - - - - - -

Bis bald

Jan Kristof Arndt
Autor: Jan Kristof Arndt

Innovationsberater und Autor „Von Regelbrüchen … oder der Kunst, merkwürdig zu sein“

Foto: Rodion Kutsaev auf Unsplash