Mehr Schein als Sein … Oder: Warum ich gerne grüne Haare hätte

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Jan Kristof Arndt 26 März 2019

Ich habe kürzlich gelesen, dass die Übernahme sozio-ökologischer Verantwortung durch Unternehmen in den letzten 10 Jahren zu den dominierenden Themen in der Marketingwelt zählte. Aber was heißt das? Ist das gut oder schlecht? Ausdruck eines sich verstärkenden sozialen Gewissens? Oder vielleicht gar keines Gewissens? Wie das mit Fragen oft so ist, lassen auch diese sich nicht einfach so beantworten – zumindest nicht pauschal. Es gibt solche Unternehmen. Und solche. Und heute geht es um Unternehmen, die ihren Kunden vorspielen, an unserer Welt interessiert zu sein, und sagen, dass man sie in ihrem Bestreben unterstützen müsse, eben diese Welt ein bisschen besser zu machen.

Nehmen wir doch mal Krombacher. Oder … obwohl, nein … Krombacher scheint mir als Einstieg ganz geeignet. Wer kennt sie nicht – die Werbung, in der Günther Jauch uns früher aufgefordert hat, möglichst viele Kästen von dem Bierbrauer aus Nordrhein-Westfalen zu kaufen; schließlich würden wir damit pro Kasten einen Quadratmeter Regenwald vor der sicheren Vernichtung retten. Da ist es ja fast schon rücksichtslos… ach, was sag ich … eine Frechheit, ein Verbrechen, ja, eine globalpolitische Tragödie, nicht jedes Wochenende acht Kisten Bier zu trinken und so seinen unbändigen Willen zu demonstrieren, unsere Erde retten zu wollen. Aber jetzt kommt’s: Wie das Nachrichtenmagazin PlusMinus aufdeckte, würde selbst das kaum etwas ändern; außer unsere Leberwerte. Den acht Kisten stünden nämlich gerade einmal 5 Cent pro Kiste gegenüber, die das Bierbrauunternehmen in den Erhalt des Regenwaldes oder, wie seit Kurzem propagiert, in den Schutz des Weltklimas investieren würde. 5 Cent! Wenn man sich derart über sein soziales Engagement definiert, sollte es da nicht ein bisschen mehr sein?!! Genau!!!

Aber Krombacher ist nicht das einzige Unternehmen, das sich grüner gibt als die Grünen. Auch Pampers wirbt in umfänglichem Maße damit, ein Social Player zu sein – ein Unternehmen, welches sich engagiert und mit gutem Beispiel vorangeht. Man verspricht seinen Kunden für jede von ihnen gekaufte Packung eine Impfung gegen Tetanus bei Neugeborenen vorzunehmen (bzw. diese zu finanzieren). Das klingt super. Und eigentlich ist es das ja auch. Würde Pampers aber damit werben, dass man pro Packung nicht einmal 10 Cent an ausgewählte Förderprojekte spendet, wären viele sicherlich nicht ganz so begeistert.

Das heißt, einen Großteil der zusätzlich generierten Einnahmen hätte man gar nicht erhalten, wenn man offen mit dem Umfang seines Engagements umgehen würde. Stattdessen schafft man „Kunstwährungen“ [Zitat: Prof. Frank Huber, Universität Mainz], die zur Intransparenz beitragen und einzig den Zweck verfolgen, Verbrauchern das Geld aus der Tasche zu ziehen. Oder vielmehr zu locken. Denn eines müssen Sie wissen: GreenWasher sind gut in Verführung. Und in Kommunikation. Sie verstehen, Menschen zu beeinflussen; sie zu prägen. Warum? Weil sie es gelernt haben. Und so erscheint es schon fast suspekt, wenn jemand nicht zuerst auf sein Umweltengagement hinweist, bevor er vorsichtig andeutet, dass er ja eigentlich auch noch was anderes macht. Hosen oder so. Stattdessen appelliert man an unser Mitgefühl, an unser Bedürfnis, ein bisschen was zurückgeben zu wollen; schließlich geht es den meisten von uns ja nicht so schlecht. Für diejenigen, die nicht mehr in der Kirche sind und damit nicht länger Steuern an die wahrscheinlich größte Wohlfahrtseinrichtung zahlen, ist es ja gar nicht mehr so einfach, heute noch etwas Gutes zu tun. Natürlich könnte man einen Dauerauftrag einrichten und jeden Monat 5 Euro (oder gerne auch mehr) an das Rote Kreuz stiften, aber das würde voraussetzen, dass man … Na, um ehrlich zu sein, würde es nicht mehr voraussetzen, als eben einen Dauerauftrag einzurichten. Online dauert so was etwa zwei Minuten! Aber egal. Zurück zu den Grünsündern.

Wie heißt es doch so schön: „Jeder denkt immer nur an sich. Nur nicht ich: Ich denk an mich!“ Tatsächlich engagieren zu viele Unternehmen sich im Wesentlich nur für sich selbst. Und das war’s. Nun möchte ich Krombacher und Pampers nicht schlechter machen als sie sind. 4 Mio. Euro gab Krombacher für das WWF Regenwaldprojekt aus – 4. Mio. Euro, die sonst wahrscheinlich nicht gespendet worden wären. Und Pampers gibt an, 100 Mio. Mütter und ihre Babys vor Tetanus geschützt zu haben. Das ist beachtlich. Außerdem handelt es sich bei beiden Firmen um Anbieter qualitativ hochwertiger Produkte, aber das scheint heute als Kaufargument nicht mehr auszureichen. Und das liegt eben auch an uns. Wenn man uns erzählt, dass etwas unter Berücksichtigung ökologischer Grundsätze produziert wurde, springt uns das Portemonnaie aus der Hose in die Hand und das Geld wechselt den Besitzer. Wir lassen uns ausnutzen. Und das sogar gerne; schließlich fühlt es sich gut an, Gutes zu tun.

Nun hab ich mich über solche Unternehmen aufgeregt, die zumindest etwas tun; wenn auch nicht in dem Maße wie in der Werbung dargestellt. Aber es gibt natürlich auch noch solche Firmen, die tatsächlich gar nichts machen und sich trotzdem gerne im grünen Kleid der ökologischen Verantwortung zeigen. Nehmen wir die Kosmetikindustrie: Allein im Jahr 2011 erzielte die Branche mehr als 800 Mio. Euro Umsatz durch den Vertrieb von Naturkosmetik. Das Motto: Chemie ist out – Bio in. Und doch ist nicht alles grün, was glänzt. Durch ökologisch gestaltete Verpackungen, die Zugabe von ein, zwei Tropfen Olivenöl und ein eher schlichtes Produktdesign versucht man seinen Kunden weiszumachen, dass sie Naturprodukte kaufen würden. In Wirklichkeit aber finden sich –so die Verbraucherzentralen– in zahlreichen dieser Produkte Mineralöle, künstliche Aromen und andere Inhaltsstoffe, von denen einige (v.a. Parabene) im Verdacht stehen, gesundheitsschädigend zu sein.

Studien belegen, dass insbesondere wir hier in Deutschland gerne zugreifen, wenn ein Produkt als ökologisch vertretbar gekennzeichnet ist. Dabei ist eine solche Kennzeichnung in vielen Fällen ungefähr so viel wert wie … mir fehlt gerade ein Vergleich … also, es ist nichts wert; das will ich sagen. Und zwar, weil die Firmen nicht selten selbst ein Siegel entwerfen, welches sie als umweltbewussten Anbieter von Kosmetikwaren ausweist. Was zum Beispiel heißt denn eigentlich dermatologisch getestet? Das sagt doch noch nichts über das Ergebnis der Untersuchungen aus. Die Probanden könnten ja einen ganz ekligen Ausschlag am Hintern bekommen haben; an der Aussage „getestet“ würde das nichts ändern.

Keiner will den Unternehmen absprechen, das (für sie) Beste aus ihrem Engagement zu machen. Aber seine Bilanz aufzuhübschen, indem man vorgibt, ökologisch bewusst zu handeln, nur um dann das Gegenteil zu tun, weil es kostengünstiger ist?? Das geht einfach nicht! Es wäre schön, wenn man sich darauf verlassen könnte, dass ein als ökologisch-biologisch angepriesenes Shampoo hält, was es verspricht. Da bekommt der Begriff „grüne Haare“ eine ganz neue Bedeutung – eine, die mich sagen lässt, dass ich gerne (wieder) welche hätte (ich hab mit 15 Jahren mal eine Wette verloren)! Leider aber erleben wir eine Vertrauenskrise … vielleicht sogar eine Krise der Moral, in der niemand mehr so richtig zu wissen scheint, wem er eigentlich was glauben kann. Und was nicht.

Zum Glück gibt es auch Institute, deren Siegel als besonders aussagekräftig gelten, z.B. das vom BDIH, von Natrue und von ECOCERT. Wo die drauf sind, ist Natur drin. Davon können die Verbraucher ausgehen – und viele Unternehmen sich eine Scheibe abschneiden.

Fazit: Die Farbe Grün steht schon lange nicht mehr für Hoffnung und Zuversicht; sondern für knallhartes Kalkül und maximales Gewinnstreben. Nur weil man schon einmal über Recycling nachgedacht hat, ist man noch lange kein verantwortungsbewusstes Unternehmen. Und nur weil man beim letzten Betriebsausflug einen Baum gepflanzt hat, sollte man nicht gleich die Presse rufen und sich als Umweltbewahrer feiern lassen.

Auf bald

Text: Jan Kristof Arndt | Autor des Buchs "Von Regelbrüchen ... oder der Kunst, merkwürdig zu sein"

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Foto: Cody Davis auf Unsplash

Jan Kristof Arndt
Autor: Jan Kristof Arndt

Innovationsberater und Autor „Von Regelbrüchen … oder der Kunst, merkwürdig zu sein“